Dieser mittelalterliche Bildteppich zeigt die Bibelgeschichte vom Gleichnis des verlorenen Sohnes: Ein junger Mann fordert sein Erbteil von seinem Vater und macht sich damit auf in die Welt. Er bringt das Geld mit süßem Leben durch. Völlig verarmt kehrt er zum Hof des Vaters zurück und bewirbt sich aus Scham zunächst als Schweinehirt. Doch dann wird der Sohn wieder erkannt; der Vater vergibt ihm, lässt ein Kalb schlachten und gibt ein rauschendes Fest.
Das Gleichnis soll uns sagen:
Wenn wir auch manchmal im Leben die falschen Entscheidungen treffen, so vergibt uns Gott.
Auf dem Foto seht ihr den Sohn, wie er mit einer nackten Frau in einem Zuber sitzt. Eine weitere Dame schrubbt ihm den Rücken. Die Haare des jungen Mannes sind zu modischen Löckchen frisiert.
So lässt es sich leben - um 1400!
Badehäuser im Mittelalter dienten nicht nur der körperlichen Reinlichkeit; des öfteren kam es dort noch zu ganz anderen körperlichen Begegnungen.
Solche freizügigen Szenen waren im Mittelalter eigentlich nicht erlaubt, es sei denn, man berief sich auf eine Bibelgeschichte oder eine Sage aus dem Altertum. DANN, und nur dann, konnte man immerhin behaupten, ein solcher etwas freizügiger Wandteppich diene der geistigen Erbauung. Immerhin könnte man das Bild ja als Mahnung sehen, sein Leben nicht mit Wein, Weib und Gesang ( oder wie hier mit Weib und Weib) zu vertun.
Solche Bildteppiche hatten jedoch in den kühlen und zugigen Burghallen und Gemächern des Mittelalters auch noch eine andere Funktion; sie waren eine, wenn auch sehr kostspielige Wand-Dämmung und verhinderten, dass die durch den Kamin geschaffene Wärme nicht so schnell den Raum verließ.
Wir mögen heute an solchen Bildwerken vorbeigehen und uns denken:
"Ja, ganz hübsch!"
Doch für die Menschen des Mittelalters hatten solche Bildnisse eine ganz andere Bedeutung. Stellt euch vor, ihr sitzt auf einer Burg um 1400: Es gibt, wenn überhaupt, nur wenige Bücher. Womöglich könnt ihr auch nur unzureichend lesen. An Radio, Fernsehen, Streamingdineste, Internet wagt ihr noch nicht einmal zu denken.
Bildteppiche erzählen euch Geschichten und in manchen Stunden wird dies eure Unterhaltung sein ( falls ihr überhaupt Freizeit habt), euch diesen Wandteppich anzusehen.
Die Herstellung solcher Wandteppiche war sehr aufwendig, doch wir reden von einer Epoche, in der Arbeitszeit und Arbeitskräfte keine große Rolle spielten.
Ich habe nur ein Detail dieses riesigen, etwa 5 m breiten Teppich fotografiert.
Im unteren Abschnitt sehr ihr, wie der Sohn von seinen Mitmenschen erkannt wird.
Ich finde solche Zeugnisse uralter Textilkunst immer wieder berührend, da die Menschen damals nichts anderes als Naturmaterialien zur Verfügung hatten. Dennoch haben sich vereinzelt solche wunderbaren Kunstschätze über die Jahrhunderte erhalten.