Wer viel selbst strickt, hat häufig das Gefühl, den großen Textilherstellern und ihren chemischen Zusatzstoffen ein Schnippchen geschlagen zu haben. Doch ganz so einfach ist das leider nicht, denn lediglich 1,5 % der weltweiten Wollproduktion erfolgt tatsächlich nachhaltig und ökologisch – und dass die Wolle in Deinem örtlichen Lieblingsladen landet, ist leider keine Garantie dafür, dass sie auch „fair“ ist. Wenn Du also sichergehen möchtest, dass für Deinen nächsten Pulli keine Tiere leiden mussten und sich im übernächsten Sockenpaar keine künstlichen Fasern verbergen, solltest du einige Dinge beachten.
Grundsätzlich ist Wolle, sofern es sich nicht um synthetische Erzeugnisse wie etwa Kunstseide, Acryl, Polyacryl, Nylon oder Polyester handelt, selbstverständlich eine Faser, die „aus der Natur“ kommt. Sie stammt vom Schaf (Schur-, Merino- und Lammwolle), vom Kamel (Alpakawolle), vom Angora-Kaninchen (Angorawolle), der Angora-Ziege (Mohair) und von der Cashmere-Ziege (Cashmere). Baumwolle ist ebenfalls ein natürliches Erzeugnis aus den Fasern der tropischen Baumwollpflanze (siehe unser Blog-Beitrag: Wollarten im Vergleich). Die Vorteile der Naturfaser liegen auf der Hand – insbesondere Schafswolle gilt als nahezu „unkaputtbar“, sie ist atmungsaktiv, saugfähig, weich und wärmend. Bei so vielen Vorzügen ist es kein Wunder, dass der Strick-Boom anhält und die neue Generation der Woll-Fans noch viele Jahre vom Rentenalter entfernt ist.
Der Boom hat jedoch einen großen Nachteil: Je mehr Menschen die Liebe zum Selbstgestrickten entdecken, desto mehr entsprechende Rohstoffe werden benötigt – und genau wie in der Fleischproduktion, bedeutet dies leider auch für die Wollproduktion vor allem eines: Massentierhaltung und den Einsatz von Pestiziden. Beides ist weder ökologisch vertretbar, noch nachhaltig.
Was ist das Problem mit Nicht-Ökowolle?
Als „unbehandelt“ gelten nur solche Naturfasern, die weder mit Kunstharz, noch mit anderen chemisch-synthetischen Verbindungen wie etwa Antischmutz-, Antistatik-, Antifilz- oder Antimottenschutz in Berührung gekommen sind. Außerdem dürfen ökologisch verarbeitete Fasern weder gefärbt, noch gebleicht, oder dem Verfahren der Merzerisierung unterzogen werden. Fakt ist jedoch, dass momentan fast 99 % der Produkte, die in deutschen Läden angeboten werden, mindestens einem dieser Verfahren unterzogen worden sind – und das hat einen ganz banalen Grund: Die bevorzugte Wolle der Deutschen ist nach wie vor Merinowolle aus südlichen Ländern wie Australien, Neuseeland und China, da diese Wolle besonders weich ist. Die deutsche Merinowolle (ebenso wie die Wolle anderer deutscher Schafsarten wie des Coburger Fuchses) hat aufgrund unserer eher kühlen Klimazone eine robustere und krausere Struktur, die auf der Haut mitunter ein kratziges Gefühl auslösen kann. Aus diesem Grund werden unsere heimischen Wollerzeugnisse zum größten Teil als Dämmwolle verwendet oder – im schlimmsten Fall – als „unverkäuflich“ einfach verbrannt.
Das Problem mit der Merinowolle aus Ländern wie China, Australien und Neuseeland ist jedoch, dass dort mitnichten von ökologischer Haltung gesprochen werden kann: Wie in der Massentierhaltung üblich, werden Chemikalien und Pestizide zum Schutz der Tiere und Böden gegen Parasiten und Bakterien eingesetzt, die später über intensive Spülung in das Grundwasser gelangen und dort verschiedenste Mikroorganismen töten. Darüber hinaus ist das Futter, das den Tieren gegeben wird, häufig nicht artgerecht, d.h. nicht rein vegetarisch. Die Schur erfolgt aus Zeitersparnis-Gründen in der Regel maschinell, was für die Schafe nicht nur extremen Stress, sondern auch eine höhere Verletzungsgefahr bedeutet. Das größte Problem mit chinesischer, neuseeländischer und australischer Wolle ist jedoch das sog. „Mulesing“, gegen das die Tierrechtsorganisation PETA seit Jahren kämpft: Beim „Mulesing“ handelt es sich um ein besonders grausames Verfahren zum „Schutz“ der Tiere gegen Larven- und Fliegenbefall, bei dem den nicht narkotisierten Schafen die Haut rund um den Schwanz entfernt wird.
Bei konventioneller, nicht ökologisch angebauter Baumwolle, besteht das Problem weniger in Tierleiden (von den Mikroorganismen einmal abgesehen), sondern vielmehr in einer extremen Bodenbelastung: Da Baumwolle traditionell großflächig in Monokulturen angebaut wird, sind die Böden bereits nach kurzer Zeit stark ausgelaugt und können nur über den Einsatz großer Mengen Kunstdüngers weiterhin bewirtschaftet werden. Die in diesem Kunstdünger enthaltenen Pestizide gelangen nach und nach ins Grundwasser. Die konventionelle Anbauweise in Monokulturen macht die Pflanzen außerdem extrem anfällig für Schädlinge aller Art, weshalb das Saatgut gentechnisch verändert oder chemisch vorbehandelt wird, um es widerstandsfähiger zu machen. Aus diesem Grund finden sich in vielen Baumwollerzeugnissen hohe Rückstände chemischer und toxikologischer Natur.
Woran erkenne ich, ob meine Wolle „öko“ ist?
Ein zuverlässiger Indikator dafür, ob Deine Lieblingswolle die Bezeichnung "ökologisch" verdient, ist die Kennzeichnung "kbT" (kontrolliert biologische Tierhaltung) für Wolle bzw. "kbA" (kontrolliert biologischer Anbau) für Baumwolle. Schurwolle aus kbT-Produktion stammt zum größten Teil aus Argentinien, wo das "Mulesing" aufgrund des gemäßigten Klimas nicht notwendig ist und die Merinoschafe unter ökologisch vertretbaren Bedingungen leben können. Zu diesen Bedingungen gehört auch, dass die Tiere rein vegetarisch und genfrei ernährt, die Böden ausschließlich mit organischem Dünger behandelt und die Schafe von Hand geschoren werden. Zum Waschen der Wolle nach dem Scheren dürfen nur umweltverträgliche Mittel eingesetzt werden.
Auch die anschließende Verarbeitung muss ökologisch vertretbar sein, d.h. die Fasern dürfen weder mit Kunstharz, noch mit ähnlichen chemischen Verbindungen unempfindlich gegen Motten, Schmutz, Verfilzen oder hohe Temperaturen in der Waschmaschine gemacht werden. Eingefärbt wird die Öko-Wolle ausschließlich mit exakt ausgewählten synthetischen Farbstoffen, die eine extrem geringe Umweltbelastung darstellen. Pflanzliche Farbstoffe hingegen sind verboten, da diese aufgrund der notwendigen Nachbehandlung mit Chromsalz (das die Farben vor dem Ausbluten schützt) extrem umweltschädigend sind. Zwar stellen auch in Australien und Neuseeland mittlerweile immer mehr Betriebe auf die biologische Tierhaltung um, doch diese Umstellung benötigt viele Jahre, bevor das erste Mal tatsächliche Öko-Wolle "geerntet" werden kann.
Baumwolle aus kontrolliert ökologischem Anbau stammt nicht aus Mono- sondern aus Mischkulturen mit Fruchtfolge, wodurch der Boden auf natürliche Weise fruchtbar bleibt. Es dürfen weder gentechnisch verändertes Saatgut noch Kunstdünger oder Pestizide eingesetzt werden und die Baumwolle wird ausschließlich von Hand (und nicht unter Einsatz sog. "Entlaubungsmittel") geerntet. Das Prädikat "kbA" wird erst dann verliehen, wenn der entsprechende Boden minimal drei Jahre in Folge chemiefrei bestellt wurde. Die diesbezügliche Kontrolle erfolgt einmal im Jahr durch unabhängige Institute.
Ob Schur- und Baumwolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung bzw. Biologischem Anbau stammen, ist auf dem Etikett ausgewiesen. Eine weitere Sicherheit ist das "iVN-best-Siegel" des 'Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft', da dieses ebenfalls nur dann vergeben wird, wenn die jeweilige Wolle tatsächlich zu 100% aus ökologischer Herstellung stammt. Nicht besonders zuverlässig hingegen ist das "GOTS-Siegel" ('Global Organic Textile Standard'), da Produkte mit dieser Kennzeichnung bis zu 30% aus konventionell gewonnenen Naturfasern bestehen dürfen.
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