Geschmeidig, kühl und exklusiv – dies sind nur drei der Eigenschaften, die viele Menschen mit dem Wort „Seide“ assoziieren. Tatsächlich sind es aber drei sehr treffende Eigenschaften, denn die seit Jahrtausenden beliebte Faser zeichnet sich in erster Linie durch ihre außergewöhnlich angenehme Haptik, den leicht kühlenden Effekt bei Berührung mit der menschlichen Haut und ihre Eigenschaft als absolutes Luxusgut aus. Was Seide sonst noch für Vorteile hat, und welche Alternativen es zur mittlerweile umstrittenen Haspelseide gibt, erfährst Du im Folgenden.
Seide - Gewinnung und Arten
Traditionell wird Seide aus den Kokons des Maulbeerspinners (im Volksmund „Seidenraupe“) gewonnen, indem die Larven kurz nach der Verpuppung in einem Dampfbad abgetötet werden. Anschließend wird der bis zu 900 Meter lange Seidenfaden, in den die Larven sich verpuppt haben, abgewickelt oder, fachlich gesprochen, „abgehaspelt“. Weltweit werden im Jahr etwa 130.000 Tonnen Seide produziert, von denen rund 80 % auf die chinesische Produktion entfallen. Weitere Exportländer für Rohseide sind Indien, Japan und Thailand.
Welche Eigenschaften und welche Färbungen Seide genau aufweist, kommt auf die jeweilige Art an. Die hochwertigste Art ist die sog. „Haspelseide“, bei der es sich um den dünnen und sehr gleichmäßigen Endlosfaden aus dem Kokon des Maulbeerspinners handelt. Die Seide, die aus dem intakten Mittelteil gewonnen und von allen Rückständen (wie etwa dem Seidenleim) gereinigt werden kann, wird als sog. „Noileseide“, die teuerste Haspelseide, verkauft. Verpuppen sich zwei Seidenraupen gemeinsam, muss auch der Faden doppelt gehaspelt werden – das Ergebnis ist Seide von etwas unregelmäßiger Struktur, die sog. „Dupionseide“. Als eher minderwertig gilt die sog. „Bouretteseide“, welche aus den Produktionsresten gewonnen wird und grundsätzlich Reste von Seidenleim und Kokon enthält.
Neben der traditionellen Seidengewinnung, bei welcher die Larven abgetötet werden, gibt es noch die sog. „Wild-“ oder „Tussahseide“. Diese Fasern werden aus den verlassenen Seidenspinner-Kokons gewonnen und können daher, da der schlüpfende Schmetterling den Seidenfaden bereits zerrissen hat, nicht in einem Stück gehaspelt werden. Anders als die sehr helle und glänzende Haspelseide, ist Wildseide eher gold-gelb und von etwas grober, unregelmäßiger Struktur. Wildseide wird aus den Kokons des Maulbeerspinners, des Eichenseidenspinners und des Atlasspinners gewonnen. Die Tierrechtsorganisation PETA setzt sich bereits seit Jahren dafür ein, dass Seide zukünftig nur noch als „Wildseide“ gewonnen werden darf. Der Grund dafür ist nicht nur, dass die Seidenraupen-Larven, die sich später in kleine weiße Nachtfalter verwandeln würden, für gehaspelte Seide abgetötet werden, sondern dass der Maulbeerspinner durch die Jahrhunderte der Züchtung und Domestizierung schon kaum mehr lebensfähig ist: Geschlüpfte Exemplare sind häufig körperlich deformiert und können in der Regel nicht mehr fliegen.
Seide – die schönste und stärkste bekannte Naturfaser
Es kommt nicht von ungefähr, das Seide sich bereits seit mehr als 4000 Jahren ungebrochener Beliebtheit erfreut. Neben der eleganten und farblich changierenden Optik besitzt Seide eine hohe Formbeständigkeit trotz geringer Dichte, d.h. sie ist leicht und angenehm zu tragen, ohne jemals ihre Form zu verlieren. Darüber hinaus ist sie die stärkste bekannte Naturfaser und wurde früher aufgrund ihrer hervorragenden Knüpfeigenschaften sogar als Nahtmaterial in der Chirurgie eingesetzt. Die Naturfaser ist atmungsaktiv und hat im Winter einen wärmenden, im Sommer einen kühlenden Effekt. Der einzige Nachteil von Seide ist, neben dem hohen Anschaffungspreis, dass die Pflege sehr aufwändig ist. Da das Material nicht für die Waschmaschine geeignet ist und sich auch per Handwäsche nur mäßig reinigen lässt, bleibt in der Regel nur die chemische Reinigung – auch hier kann das Material unter Umständen sehr empfindlich reagieren.
Sowohl Haspel- als auch Wildseide sind vielseitig einsetzbar und werden neben der industriellen Textilherstellung auch häufig für Handarbeitszwecke wie z.B. zum Nähen verwendet. Sie eignen sich vor allem für die Herstellung luxuriöser und edler Kleidungsstücke wie etwa Abendroben (siehe: Nähanleitung Petticoatkleid), Nachtwäsche und exklusiver Schlafzimmer-Ausstattung. Letzteres vor allem, da man Seide einen anti-allergenen Effekt nachsagt, der vor Milben schützt. Neben der Bekleidungs- und Textilindustrie wird Seide auch häufig für künstlerische Zwecke (z.B. Seidenmalerei) verwendet, da sie die entsprechenden Farbstoffe sehr gut aufnimmt. Das Seidenprotein findet große Anwendungsmöglichkeiten im kosmetischen Bereich, da Seide nicht nur antibakterielle und PH-freundliche Wirkung, sondern gar einen Anti-Aging-Effekt hat: Die Seidenproteine wirken beruhigend auf die Haut und versorgen sie mit einer Extraportion Feuchtigkeit.
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