Weich, weicher, Angorawolle: Das Garn aus den Haaren des Angorakaninchens ist besonders weich und wärmend und gilt insbesondere wegen seiner schweißabsorbierenden Eigenschaften als wertvoll. Die langhaarigen Angorakaninchen werden seit dem 18. Jahrhundert für die Wollproduktion gezüchtet und liefern pro Jahr und Tier zwischen 700 und 800 Gramm Haare. Derzeit stammt rund 90 % der weltweit gehandelten Angorawolle aus China. Angorawolle ist zu unterscheiden vom Mohair, welches von der Angoraziege gewonnen wird.
Angorawolle – Gewinnung und Verarbeitung
Es gibt drei Möglichkeiten, das Fell des Angorakaninchens, das bis zu 40 cm lang werden kann, zu gewinnen: Die sanfteste, zugleich jedoch die am wenigsten effektivste Methode, ist das Auskämmen der Fasern etwa alle vier Monate, wenn das Fell lang und dicht ist. Eine weitere Möglichkeit ist die Schur alle zwei bis drei Monate, nach der das Tier anschließend für 48 Stunden in speziell temperierten Ställen untergebracht wird, damit es sich regenerieren und die Wolle wieder zu wachsen beginnen kann. Die am häufigsten praktizierte Methode, die zugleich jedoch die umstrittenste ist, ist das Auszupfen der Haare an lebendigem Leibe, wie es vor allem in den nicht-europäischen Ländern praktiziert wird. In Betrieben, die die Standards der Tierhaltung nicht erfüllen, werden die Kaninchen alle drei Monate gezupft und geschlachtet, sobald die Fellproduktion nachlässt. Dies ist normalerweise spätestens nach vier Jahren der Fall.
Weiterverarbeitet werden die Angorahaare in darauf spezialisierten Betrieben, wo sie entweder zu Garnen gesponnen oder zu hochwertigen Strickwaren verarbeitet werden. Ein Großteil der Angorawaren-Produktion ist heute nach China ausgelagert.
Angorawolle aus Frankreich und der Schweiz hat eine gröbere Struktur und ist ein wenig dunkler, während die Angorakaninchen in Deutschland und Österreich sehr feines weißes Haar haben. Kaninchen mit grober Wolle werden in der Regel durch Auskämmen von ihren Haaren „befreit“, während die Arten mit feinem Fell entweder von Hand oder mit der elektrischen Schermaschine geschoren werden. Produkte, in denen Angora verarbeitet wird, können unterschiedlich hohe Anteile der begehrten Faser enthalten.
Falls Du ein Angora-Strickprojekt planst, solltest Du Dich im Internet nach einem passenden Strickgarn-Händler umschauen, da in Deutschland nur noch sehr wenige Wollläden Angorawolle anbieten.
Angorawolle – atmungsaktiv und geruchsneutral
Angorawolle vereint viele positive Eigenschaften in sich, die den vergleichsweise hohen Anschaffungspreis rechtfertigen: Sie ist sehr hochwertig, weich und flauschig, weshalb sie häufig für die Fertigung von Leibwäsche und Decken verwendet wird. Da das Haar des Angorakaninchens innen hohl ist, hat die Faser isolierende Eigenschaften und ist extrem wärmend, da es Wärme sowohl speichern als auch (an den Körper) abgeben kann. Darüber hinaus hat sie einen seidigen Glanz und verfilzt so gut wie nicht. Da die Wolle atmungsaktiv ist und Schweiß absorbiert, ohne Gerüche anzunehmen oder zu entwickeln, wird Angora gerne in der Sportbekleidungsindustrie verwendet.
Die gut wärmenden Eigenschaften des Stoffes werden unter anderem für Thermounterwäsche (zum Beispiel für Wintersportler) und andere speziell wärmende Produkte wie etwa Nierenwärmer, Rückenwärmer oder auch Fußwärmer verwendet. Von Nieren- und Rückenwärmern profitieren insbesondere ältere Menschen und Menschen mit Gelenkserkrankungen wie Rheuma oder Arthritis.
Neben den vielen positiven Eigenschaften bringt Angorawolle natürlich auch einige Nachteile mit sich, die vor allem dadurch entstehen, dass es sich um ein vergleichsweise empfindliches Material handelt: Die Wolle fusselt leicht und neigt zur Knötchen-Bildung. Außerdem lädt sie sich sehr leicht elektrostatisch auf.
Angorawolle - wegen Tierquälerei in der Kritik
Nachdem 2013 ein Undercover-Video des Tierschutzverbandes PETA viral verbreitet wurde, das die grausamen Bedingungen in einer chinesischen Angora-Farm zeigt, haben sich im Winter des gleichen Jahres eine Reihe von Modeketten, darunter C&A, Hugo Boss, ESPRIT, Benetton, Lacoste und jüngst auch H&M, dazu entschieden, vorerst keine Angora-Produkte mehr zu beziehen oder anzubieten. Grundsätzlich wäre es zwar eine Alternative, Angorawolle ausschließlich aus europäischen Betrieben zu beziehen, wo sie entweder ausgekämmt oder geschoren wird, doch tatsächlich ist auch die Schur für die empfindlichen Tiere eine Qual: Rund 50% aller geschorenen Kaninchen sterben kurze Zeit nach dem Prozedere, da ihr Körper den Stress nicht verkraftet.
Da die artgerechte Haltung und das Auskämmen des „reifen“ Fells kommerziell jedoch kaum gewinnbringend sind, mangelt es an fairen Quellen, aus denen Händler Angorawolle beziehen könnten. Als Alternative wird derzeit die Nutzung von synthetischen Fasern diskutiert, die den Naturfasern in fast allen Eigenschaften angepasst werden können.
Mehr dazu hier: Ökologische Wolle: Worauf Du achten solltest.
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