Das Klischee der bebrillten Großmutter, die Karamellbonbons verteilt und im Kreise ihrer Enkelkinder an bunten Babysachen strickt, ist längst überholt. Ganz gleich ob in der Schule, im Hörsaal oder der Büro-Pause: Heutzutage werden überall die Stricknadeln geschwungen – und das von immer jüngeren Strick-Fans. Höchste Zeit also, ein paar Fakten über das kuschelige Lieblingsgarn preiszugeben – denn Wolle ist schließlich nicht gleich Wolle.
Die warmen Wintersocken, der dicke Kuschelpulli und der flauschige Loop – sie alle haben mal als Schaf begonnen. Genauer: als Schafspelz. Natürlich gibt es auch Wollsorten wie etwa Cashmere oder Mohair, die nicht von Schafen, sondern der Cashmere- und der Angora-Ziege stammen. Doch da diese Wollarten in der Regel deutlich kostspieliger und auch aufwändiger in der Verarbeitung sind, wird insbesondere zum Handarbeiten vornehmlich Schafswolle verwendet. Nun ist Schafswolle allerdings nicht zwangsläufig gleich Schurwolle: Was als „Schurwolle“ bezeichnet werden darf, ist im Textilkennzeichnungsgesetz (kurz: TKG) festgeschrieben.
Schurwolle: Naturbelassen und „lebendig“
Laut TKG gelten als „Schurwolle“ ausschließlich solche Fasern, die unmittelbar durch das Scheren von lebenden Tieren gewonnen werden. Sobald die Fasern weiterverarbeitet bzw. recycelt werden, oder gar von bereits geschlachteten Tieren stammen, handelt es sich schlicht um „Schafswolle“. Darüber hinaus darf Schurwolle ausschließlich solchen Spinn- bzw. Filzprozess unterworfen sein, die speziell für diese Fasern entwickelt wurden. Qualitätsunterschiede kommen bei der Schurwolle einzig und allein dadurch zustande, dass sie von verschiedenen Schafsarten gewonnen wird. Die wichtigsten Schafe für die Wollproduktion sind neben dem Merinoschaf (und seinen Unterarten) das Coburger Fuchsschaf, das Jakobsschaf und die Heidschnucke. Weltweit gibt es rund eine Milliarde Schafe, wobei Australien mit durchschnittlich knapp 75 Millionen Tieren das größte Exportland vor China, Neuseeland und Argentinien ist. Zum Vergleich: In Deutschland leben nur etwa 1,6 Millionen Schafe. Schurwolle wird in die Qualitäten „grob“, „mittelgrob“ und „fein“ eingeteilt. Die qualitativ beste Schurwolle von allen Rassen bietet das Merinoschaf.
Vielseitige Naturfaser: Was Schurwolle alles kann
Garne, die als Strick- oder Häkelgarn verkauft werden, sind in der Regel bereits verarbeitet und bis zu einem gewissen Anteil mit synthetischen Fasern vermischt. Diese Behandlung macht die Wolle langlebig und widerstandsfähiger als reine Wolle. So besteht Sockenwolle beispielsweise zu 75% aus einer Basiswolle und 25% synthetischen Fasern. Schurwolle als Basisgarn ist sehr hochwertig, elastisch und gut wärmend. Besonders feine Schurwolle (z.B. Lamm- und Merinowolle) wird häufig für Babykleidung und solche Kleidungsstücke verwendet, die direkt auf der Haut getragen werden (z.B. Wollsocken). Darüber hinaus eignet sie sich gut zum Filzen.
Mittelgrobe und grobe Schurwolle wird häufig als kratzend empfunden und daher überwiegend zum Weben von Teppichen oder auch als Dämmmaterial eingesetzt. Allen Arten von Schurwolle gemeinsam ist jedoch, dass sie relativ kostengünstig und schmutzabweisend sind. Da Schafswolle nur in sehr geringem Maß Gerüche annimmt, genügt es in der Regel, sie über Nacht auszulüften. Werden Schafswoll-Kleidungsstücke doch einmal gewaschen, dürfen sie jedoch ausschließlich liegend getrocknet werden, da sie anderenfalls ihre Form verändern können. Da das Material atmungsaktiv und besonders saugfähig ist, kommt Schurwolle (in Kombination mit synthetischen Fasern) auch in der Sportbekleidungsindustrie zum Einsatz.
Unser Tipp: Bei Wolle auf Nachhaltigkeit achten
In Sachen Schurwolle wird bisher leider zu wenig auf die ökologische Qualität des Materials geachtet – bisher beträgt der Anteil der „Öko-Wolle“ (Interne Verlinkung auf neuen Blogartikel „Öko-Wolle“) auf dem Weltmarkt sogar weniger als ein Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass auch auf dem deutschen Markt vor allem die Merinowolle aus südlichen Ländern verwendet wird, da diese deutlich weicher ist als die deutsche Merinowolle. Das Problem dabei ist, dass die importierte Wolle zum größten Teil aus Massentierhaltung stammt, in der traditionell nicht nur Chemikalien und Pestizide eingesetzt werden, sondern wo die Schafe außerdem einen grausamen Prozess namens "Mulesing" über sich ergehen lassen müssen, bei dem ihnen (ohne Betäubung!) große Hautstücke rund um den Schwanz entfernt werden, um sie vor Fliegenbefall zu schützen. Wenn Du dich vor Wolle aus solcher Produktion schützen möchtest, solltest du auf die Kennzeichnung "kbT" (kontrolliert biologische Tierhaltung) bzw. das "iVN-best-Siegel" des 'Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft' achten, welches gewährleistet, dass die verwendete Wolle tatsächlich zu 100% aus ökologischer Herstellung stammt.
Falls es Dir nicht nur darum geht, dass die Wolle für Deinen nächsten Lieblingsschal ökologisch ist, sondern Du auch den Tieren etwas Gutes tun möchtest, dann wäre „Vegetarische Wolle“ vielleicht das Richtige für dich. Dieser neue Trend setzt sich dafür ein, dass die Wollschafe am Ende ihres Lebens nicht geschlachtet werden, wie es momentan noch Standard ist, sondern ihren Lebensabend friedlich auf der Weide verbringen dürfen. Normalerweise werden Wollschafe mit etwa sechs Jahren getötet, sobald ihre Wollproduktion nachlässt – und dass, obwohl ihre durchschnittliche Lebenserwartung bei rund 20 Jahren liegt.
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